Dominika

26 Jahre
eine Fehlgeburt

Schwanger! Ich konnte es kaum glauben. Seit wir uns entschieden hatten schwanger zu werden hatte ich immer ein bisschen Angst, es könnte vielleicht nicht klappen, Angst, dass wir keine eigenen Kinder haben könnten oder es sehr, sehr lange dauern würde. Doch nach nur 2 Monaten hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Ich war überwältigt. Worte können es kaum beschreiben, wie ich mich damals gefühlt habe. Meine Welt stand kopf – ein Baby.

Am Abend überraschte ich damit meinen Mann und auch er war hin und weg. Wir lagen uns in den Armen und konnte es nicht fassen, dass da tatsächlich bald ein kleiner Zwerg zu uns kommen würde. Schon bald vereinbarte ich einen Termin bei meiner Frauenärztin. Ich weiß noch, dass ich ziemlich aufgeregt war. Und dann endlich sagte sie die Worte, die ich hören wollte: Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger.

Ein Stein fiel mir vom Herzen. Es war also wirklich passiert.

Mein Mann und ich waren uns schnell einig, dass wir die Schwangerschaft zunächst für uns behalten würden. Wir wussten, dass sie bis zur 12. Woche noch sehr sensibel ist. Aber ehrlich gesagt machte weder ich noch er sich darüber Gedanken. Wir hatten es geschafft, wir waren schwanger, das konnte uns keiner mehr nehmen.

Die darauffolgende Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit dem Thema. Was dürfen Schwangere essen, worauf sollte man verzichten, was gilt es zu beachten? Mir schwirrte der Kopf. Ich merkte, dass meine Unbeschwertheit immer mehr verflog und ich mir zusehends mehr Gedanken und Sorgen machte. Ich wollte nichts tun, was dem Kind möglicherweise schaden konnte. Ich war schließlich verantwortlich dafür, dass es ihm gut ging.

Das strengte mich doch sehr an. Ich hatte es mir entspannter vorgestellt. Aber hey, ich war schwanger, also wollte ich mich nicht beschweren.

In der 9. Schwangerschaftswoche bemerkte ich ganz leichte Blutungen – es war jedoch so minimal, dass ich mir tatsächlich keine Sorgen machte. Ich hatte im Internet gelesen, dass das durchaus vorkommen kann, insbesondere nach dem Sex. Ich hakte es ab und packte die Sorgen weg.

Doch dann merkte ich zum ersten Mal, dass sich etwas verändert hatte. Ich war auf dem Kindergeburtstag meines Patenkindes und meine Jeans drückte den ganzen Tag nicht. Das war ungewohnt, denn in den letzten Wochen hatte ich gemerkt, dass meine High Waist Jeans mich mehr und mehr am Bauch störte – auch wenn da noch kein Babybauch war, war ich doch etwas empfindlicher auf Druck. Das irritierte mich, leichte Blutungen, mein Bauch war nicht mehr empfindlich … Am Montagmorgen rief ich daraufhin in meiner Frauenarztpraxis an. Ich musste tatsächlich sofort vorbeikommen, denn mit negativem Rhesusfaktor benötigt man schon bei der leichtesten Blutung eine Spritze. Also packte ich meine Sachen und fuhr vor der Arbeit noch bei meiner Frauenärztin vorbei.

Ich bekam eine Spritze und sicherheitshalber wollte die Frauenärztin noch nachsehen, ob auch mit der Schwangerschaft alles in Ordnung ist.

Die nächsten Minuten waren einfach nur schrecklich. Ich weiß noch genau, was sie sagte: Das sieht leider nicht gut aus mit der Schwangerschaft.

Ich verstand nicht. Was sah nicht gut aus?

Und dann ging alles ziemlich schnell. Sie sagte mir, dass ich nicht mehr schwanger sei. Das Baby sei nicht mehr gewachsen, kein Herzschlag sei mehr zu sehen.

Meine Welt stand kopf. Hatte ich etwas falsch gemacht? Warum?

Das passiert leider sehr oft und leider weiß man meistens nicht warum.

Keine zufriedenstellende Antwort.

Sie gibt mir eine Überweisung für die Klinik, dort wird eine Ausschabung vorgenommen, damit sich die Gebärmutter nicht entzündet.

Ausschabung? Was? Das ging mir alles viel zu schnell. Gerade eben war ich noch schwanger, auf dem Weg zur Arbeit. Und nun muss ich in die Klinik, um das rausholen zu lassen, was ich gar nicht hergeben will?

Ich weinte.

Da ich direkt weiter in die Arbeit wollte, war ich alleine in der Praxis. Aber nachdem ich alle wichtigen Zettel bekommen hatte, lief ich weinend aus der Praxis raus und rief einfach nur noch meinen Mann an. Er war Gott sei Dank noch zu Hause und kam mich direkt abholen.

Im Auto versuchte ich zu erklären, was gerade passiert war, aber ich weinte und weinte nur noch. Dann fuhren wir erst mal nach Hause und versuchten zu verstehen, was das alles bedeutete und wie es nun weitergehen würde.

Ich hatte mich bisher nicht über Fehlgeburten informiert. Ich kannte niemanden, der schon mal eine Fehlgeburt hatte. Ich wusste nichts darüber. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber niemals damit.

Mein Mann organisierte einen Termin in der Klinik und so fuhren wir tatsächlich noch am selben Tag zu einem Vorgespräch hin. Bis dahin hatte ich immer noch die Hoffnung, die Ärztin hätte sich geirrt. Ich betete intensiv für ein Wunder. Doch die Blutungen verschwanden nicht.

Der Arzt in der Klinik war sehr einfühlsam und erklärte uns alles sehr genau. Er besprach mit uns mögliche Ursachen für eine Fehlgeburt und mögliche Untersuchungen, die man vor einer neuen Schwangerschaft machen könnte. Und er erklärte, was nun auf mich zukommen würde. Er gab mir auch die Möglichkeit das Baby auf dem Ultraschall noch mal anzusehen, um mich zu verabschieden, aber ich konnte nicht. Ich hatte immer noch das Ultraschallbild meiner Frauenärztin im Kopf, auf dem selbst ich als Laie gut erkennen konnte, dass da was nicht stimmte und es ganz anders aussah als die bisherigen Bilder, die wir bekommen hatten.

Er überließ uns die Entscheidung für einen Termin zur Ausschabung, aber irgendwie wollte ich es ziemlich zügig hinter mich bringen. Und so sollte ich schon zwei Tage später wieder in die Klinik kommen.

Bevor wir gehen konnten, mussten wir noch alle möglichen Formulare ausfüllen. So eine Ausschabung geht zwar relativ schnell und wird daher ambulant durchgeführt. Aber man bekommt tatsächlich eine Vollnarkose und so müssen verschiedene Anamnesebögen ausgefüllt werden.

Die nächsten Tage war ich wie in einer Blase. Auf dem Rückweg hielten wir noch beim Supermarkt und kauften all die leckeren und ungesunden Dinge, auf die ich in der Schwangerschaft verzichtet hatte. Wir zogen unser Sofa aus und machten es uns vor unserer Leinwand gemütlich. Ich war für eine Woche krankgeschrieben und auch mein Mann hatte versucht, seine Termine zu verschieben.

Wir entschieden, dass wir gemeinsam über alles reden würden. Und so redeten und weinten wir und ließen uns berieseln in der Hoffnung, dass uns das ein bisschen ablenken würde.

Für den Dienstag nahm ich mir direkt ein paar Dinge vor, damit ich nicht in einen Traurigkeitsstrudel gezogen werden konnte. Ich ging raus, erledigte ein paar Einkäufe und versuchte die Situation einzuordnen. Zu verstehen, was da gerade passiert war und warum. Und einen Weg zu finden, damit klarzukommen.

Und dann kam der Mittwoch, der Tag der Ausschabung. Ich hatte mich nicht wirklich informiert, welche Alternativen es zur Ausschabung gibt. Meine Frauenärztin hatte mir eine Ausschabung empfohlen und ich hatte keine Energie zu recherchieren. Ich durfte an dem Tag nichts mehr essen und musste Tabletten schlucken, die Wehen auslösen, damit sich der Muttermund öffnet. Es fühlte sich an wie Regelschmerzen, nicht sehr angenehm. Im Krankenhaus wurde ich dann für die Vollnarkose und den OP vorbereitet. Und auch wenn ich es bis dahin schon einigermaßen geschafft hatte, damit klarzukommen, war diese Situation so ungewohnt und unangenehm für mich, dass sie mich noch lange beschäftigte. Ich fühlte mich so unwohl in der OP-Atmosphäre. Die sterilen Wände, das grelle Licht, überall technische Geräte, an die man angeschlossen wird.

Ich hasste die Situation und ich hasste den Grund, weshalb ich überhaupt in diese Situation gekommen war. Ich wollte hier raus und es kostete mich sehr viel Kraft, mich zu beruhigen und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ich betete, dass es endlich losging und die OP gut verläuft. Diese Zeit in dem OP-Vorraum – wartend, dass ich nun an die Reihe komme, hat gefühlt ewig gedauert. Auch die Situation im OP war einfach alles andere als schön. Gleichzeitig wusste ich, dass es nun mal keine Alternative gab (dachte ich zumindest). Ich wusste, ich muss es irgendwie überstehen und dass ich das auch schaffen würde.

Als ich wieder aufwachte, durfte kurze Zeit später schon mein Mann zu mir. Er war so erleichtert zu sehen, dass es mir gut ging.

Wir hatten es geschafft, die Ausschabung war gut verlaufen.

Ich kam recht schnell aufs Zimmer und durfte mich dann auch direkt umziehen und nach Hause. In einer Woche sollte ich noch mal zu meiner Frauenärztin und kontrollieren lassen, ob tatsächlich keine Reste mehr in der Gebärmutter zu sehen sind.

Nach der Ausschabung kommt es noch zu leichten Blutungen. Ich wusste nicht, was mich da erwarten würde, also deckte ich mich mit allerhand Binden ein. Aber wie sich später herausstellte, brauchte ich davon fast nichts.

Ich hatte überhaupt keine Schmerzen nach der Ausschabung. Im Nachhinein ging es echt schnell und ich war wieder die Alte.

Eine Woche später saß ich wieder bei meiner Frauenärztin. Diesmal checkte sie nicht das Baby, sondern nur, ob davon noch was in meiner Gebärmutter war. Aber es sah alles gut aus. Sie riet mir ein bisschen zu warten, um das alles verarbeiten zu können. Aber an sich stehe einer erneuten Schwangerschaft nichts im Weg.

Der Arzt in der Klinik hatte mir empfohlen, meine Schilddrüse mal untersuchen zu lassen, eine Schwangerschaft steht und fällt mit den Hormonen und manchmal können Unstimmigkeiten eine Fehlgeburt verursachen. In dieser Zeit recherchierte ich viel im Internet, auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen. Wie kommt es zu einer Fehlgeburt? Was passiert da? Warum kommt es dazu? Hätte ich etwas tun können? Habe ich etwas falsch gemacht? Kann ich wieder schwanger werden?

Es half mir, die Geschichten anderer Frauen zu lesen und je mehr ich mich informierte, desto mehr wurde mir bewusst, dass man eben nichts in der Hand hat. Dass so eine Schwangerschaft von Anfang bis Ende ein Wunder ist und ich es nicht in der Hand habe, ob das Baby lebt. In der Zeit nach der Ausschabung musste ich immer mal wieder weinen. Obwohl ich dachte, ich wäre mit dem Thema durch, überkam es mich manchmal einfach – ohne, dass ich richtig wusste warum. Ich weiß bis heute nicht, ob es an den Hormonen lag oder diese Trauer doch so tief sitzt, dass sie dann einfach durchbricht. Rational betrachtet weiß ich, dass dieses kleine Baby noch so mini war, dass es vermutlich nicht lebensfähig gewesen wäre – und doch hatte ich mich so sehr darauf gefreut. Nicht nur das, ich hatte Angst, dass vielleicht etwas mit mir nicht stimmte. Ich ließ daher meine Schilddrüse untersuchen und tatsächlich deutete sich eine Unterfunktion an. Zwar seien meine Werte noch in Ordnung und daher eher nicht für die Fehlgeburt verantwortlich, dennoch erleichterte es mich irgendwie etwas gefunden zu haben, woran es vielleicht gelegen haben könnte.

In den nachfolgenden Wochen wurde das Thema weniger präsent, aber ich dachte dennoch viel darüber nach. Versuchte immer noch zu verarbeiten, was da passiert war und ich sprach so oft und so viel mit meinem Mann darüber, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, nun keinen Redebedarf mehr zu haben. Ich hatte die Szenarien zigmal in meinem Kopf durchgespielt. Ich kam damit zurecht. Es war zwar anders als geplant, aber irgendwann könnte ich vielleicht etwas Gutes darin sehen. Und ja, rückblickend betrachtet hat mich diese Erfahrung geprägt und verändert. Sie hat mir gezeigt, dass ich nicht alles in der Hand habe, dass ich nicht die Verantwortung habe. Und dass ich mich entspannen kann. Sie hat mich gelehrt, in der Gegenwart zu leben, nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit. Das Hier und Jetzt zu genießen und dafür bewusst dankbar zu sein.

Und sie hat meinen Mann und mich noch tiefer verbunden. Wir haben das zusammen durchgestanden, geduldig hat er mir immer wieder einfach nur zugehört und meiner Verarbeitung Raum gelassen.

Bald haben wir wieder überlegt, es noch mal zu probieren. Wir hatten nach wie vor einen Kinderwunsch und doch merkte ich, dass ich nicht mehr so unbeschwert an das Thema heranging. Ich wünschte mir ein Baby und eine Schwangerschaft und doch merkte ich, wie ich immer mehr Angst bekam – was, wenn es noch mal passiert?

Die Angst wurde immer größer und irgendwann wurde mir bewusst, dass ich mich dieser Angst stellen musste. Ich entschied, mich zu trauen, auch wenn es sein kann, dass ich noch mal eine Fehlgeburt habe. Ich wollte mich nicht von der Angst bestimmen lassen.

Und so probierten wir es schon ein paar Monate später noch mal. Dieses Mal klappte es auf Anhieb. Auch wenn unsere Freude wieder groß war, sie war gedämpft. Ich wusste, dass das erst der Anfang einer langen Reise war. Die Frauenärztin bestätigte die Schwangerschaft und die nachfolgenden Wochen waren für mich sehr nervenaufreibend. Hoffentlich schaffen wir es dieses Mal bis zur 12. Woche und darüber hinaus. Ich war einerseits entspannter, machte mir nicht mehr so viele Sorgen, was die Ernährung anging. Gleichzeitig war die Angst ein ständiger Begleiter. Ich wusste, was auf dem Spiel steht und wie schnell sich das Blatt wenden kann. Ich versuchte im Hier und Jetzt zu leben und trotz der Möglichkeit wieder eine Fehlgeburt zu haben, mich ganz bewusst auf das Baby zu freuen, mich auf die Schwangerschaft einzulassen und sie voll auszukosten. Eine Beziehung zu dem kleinen Zwerg aufzubauen – auch wenn ich nicht weiß, wie lange er bei mir bleibt.

Vor allem in der Anfangszeit war jeder Arztbesuch sehr aufwühlend, aufregend und anstrengend für mich. Ich freute mich so sehr und doch war ich viel gefasster, wartetet ab, stürzte mich nicht so hinein wie beim ersten Mal.

Doch mit der Zeit wurde es immer besser, ich durfte unseren kleinen Zwerg spüren, sehen, über meinen Bauch streicheln, mit ihm sprechen. Ich genoss es und war einfach zutiefst dankbar dies erleben zu dürfen. Schwanger zu werden, zu bleiben und ein Kind auf die Welt zu bringen, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Wunder, ein Geschenk und wir dürfen es dankbar und ehrfürchtig schätzen lernen. Die Fehlgeburt hat mir das deutlich gemacht. Wir sollten mitfühlen mit all den Frauen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen oder die bereits ein Kind verloren haben. Sie haben sich das nicht ausgesucht.

Die Fehlgeburt hat mich verändert. Sie hat mich reifen lassen, tiefer gehen lassen. Rückblickend kann ich erkennen, wie ich daran gewachsen bin, dass sie positive Spuren hinterlassen hat. Auch wenn ich mir oft gewünscht habe, diese Erfahrung nicht hätte machen zu müssen, so ist sie nun ein Teil von mir und ich bin froh darüber, denn sie hat mich zu der Frau und Mama werden lassen, die ich nun sein darf.

Eine Woche vor dem errechneten Entbindungstermin hat sich unser Zwerg dann auf den Weg zu uns gemacht. Und wir dürfen ihn jeden Tag in unseren Armen halten.

Auch wenn die Angst immer mal wieder anklopft und mir sagt, dass ich bei einer weiteren Schwangerschaft wieder eine Fehlgeburt haben könnte. Ich weiß, dass ich es schon mal geschafft habe und dass ich es wieder schaffen werde. Ich werde trotzdem mutig sein und das Wagnis eingehen. Denn es lohnt sich, es lohnt sich so sehr.